Verlagsgeschichte im Fokus – Querido Verlag

Mit dem neuen Buch von Bettina Baltschev möchte ich einen Verlag vorstellen, der seit Jahrzehnten schon nicht mehr existiert aber enorm wichtig für die deutsche Literatur war und ist: den Querido Verlag in Amsterdam. Dieser hatte es sich den 30er Jahren zum Ziel gesetzt, die deutsche Exilliteratur in den Fokus seines Verlagsprogrammes zu stellen, um damit den endlos vielen exilierten Schriftstellern, während der Diktatur Hitlers, eine Stimme zu geben.

Bettina Baltschev: Hölle und Paradies
Amsterdam, Querido und die deutsche Exilliteratur

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Als ich dieses Buch das erste Mal in der Vorschau des Berenberg Verlages für mich entdeckte, landete es ohne Umschweife auf dem ersten Platz meiner zu lesenden Bücher. Warum? Thema, Titel aber vor allem auch die Aufmachung an sich überzeugten mich sofort.

Das Cover: Auf dem Bild erkannte ich Klaus Mann – von den schriftstellerisch tätigen Manns der mir Liebste. Die Ausstattung: in Halbleinen, fadengeheftet, mit aktuellen und alten Fotos von Amsterdam und Protagonisten der damligen Zeit und einer sehr angenehmen Typografie. Das Thema: Mit deutscher Exilliteratur beschäftige ich mich schon seit Jahren und historische Aspekte finden regelmäßig Eingang in meine tägliche Lektüre.

Bettina Baltschevs vorrangigstes Motiv für das Buch war, zu verstehen „wo die Autoren und Verleger der Querido-Bücher in dieser Stadt gelebt, gearbeitet und gefeiert haben. (…) was diese Stadt ihnen bedeutet hat. War Amsterdam ein Paradies weil sie zumindest zeitweise vor den Nationalsozialisten sicher waren und ihre Bücher eine geistige Heimat fanden? Oder war es die Hölle, weil das Gefühl verbannt zu sein, nicht zu wissen, was der nächste Tag bringt, ihr Leben beherrschte?“

 

Und so begibt sich die Autorin auf eine Zeitreise, die mehr als 90 Jahre vorher und mit Fritz Landshoff beginnt. Der Berliner wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf, studierte in München Germanistik und trat schon früh in die USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ein. Seit 1927 war er Mitinhaber und Geschäftsführer beim linksliberalen Kiepenheuer & Witsch Verlag und so verwundert es nicht, dass Landshoff kurz nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 Deutschland verließ.

 

© Archiv Uitgeverij Querido, Amsterdam

Dass das Ziel Amsterdam hieß, hatte er dem holländischen Journalisten und Kommunisten Nico Rost zu verdanken. Dieser handelte im Auftrag des Verlegers Emmanuel Querido und bot Landshoff eine Beteiligung bei der geplanten Gründung eines deutschsprachigen Exilverlages an. Querido hatte sephardische Wurzeln und haderte zeitlebens mit seiner eigenen Biografie. Er versuchte sich zunächst selbst als Schriftsteller und durchlebte prekäre Verhältnisse. Es dauerte Jahrzehnte bis er endlich 1915 mit 44 Jahren seinen eigenen Verlag gründete und zum erfolgreichen Verleger avancierte. Mit der Verlagsgesellschaft Em. Querido´s Uitgevers-Maatschappij zog er in die Kreizertracht 333.

Nun saß Fritz Landshoff im April 1933 eben jenen Verlagsräumen und besprach mit Querido das zukünftige Projekt. Da der Verleger des Deutschen nicht mächtig war, übersetzte seine directrice Alice von Nahuys. Nach nur kurzer Zeit war man sich einig und für Landshoff hieß das:

„Innerhalb einiger Wochen muss Letzterer genügend Manuskripte liefern, um ein ordentliches Herbstprogramm zu garantieren, das ab September erscheinen soll.

Sogleich begab er sich auf Reisen nach Südfrankreich und die Schweiz und kehrte mit neun Verträgen im Gepäck nach Amsterdam zurück. Er konnte Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig, Anna Seghers, Gustav Regler, Emil Ludwig, Leonhard Frank, Ernst Toller und Joseph Roth für das neue Projekt gewinnen. Doch schon bald folgten ihm weitere bekannte und erfolgreiche Schriftsteller in den neuen Querido Verlag: Bruno Frank, Alred Döblin und Jakob Wasserman.

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Klaus Mann und Fritz Landshoff by Andreas Landshoff | © Archiv Uitgeverij Querido, Amsterdam

Sein wichtigster Begleiter in dieser Zeit war der Autor Klaus Mann. Beide hatten sich in Berlin durch Kiepenheuer & Witsch kennengelernt. Der älteste Sohn Thomas Manns schrieb während dieser Zeit das Manuskript zu seinem wohl erfolgreichsten Buch „Mephisto“.

Bettina Baltschev vergisst nicht den zweiten niederländischen Verlag Allert de Lange zu nennen. Dieser hatte nämlich etwa zur gleichen Zeit eine ganz ähnliche Idee. Die beiden Verleger waren zeitlebens nicht gut aufeinander zusprechen, dafür verstanden sich die deutschen Mitarbeiter und die unter Vertrag genommenen Schriftsteller umso besser. Der Verleger Gerard de Lange gründete keinen eigenen Verlag, sondern nahm die Bücher der deutschen Autoren in sein Stammprogramm mit auf. Darunter waren Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch und Stefan Zweig zu finden.

Für Landshoff wurde Amsterdam schnell zum Lebensmittelpunkt und auch andere Künstler fühlten sich von der niederländischen Metropole angezogen. Anhand der Verlagsgeschichte und der Biografien der damaligen Protagonisten präsentiert Baltschev ein Amsterdam was es heute so nicht mehr gibt. Mit vielen Anekdoten und Stimmungsbildern schafft sie es das Amsterdam der 30er Jahre wieder lebendig werden zu lassen. Nur der ständige wiederkehrende Vergleich mit dem heutigen Amsterdam stört zuweilen und ist bei anderen niederländischen Orten, die im Buch eine Rolle spielen, sogar redundant.

Bettina Baltschev begleitet den Querido Verlag auf 170 Seiten von der Gründung bis zu seiner Auflösung im Jahr 1950. Für mich war die Lektüre eine wirkliche Bereicherung. Sie beschreibt die angespannte Atmosphäre unter den Exilierten, erzählt anschaulich von all den Sorgen und Dramen und hält ein Stück spannender Verlags- und deutscher Literaturgeschichte für immer fest. Keineswegs ist ihr Buch Nischenliteratur, es ist lebendige und wiederkehrende Geschichte. Müssen doch auch heute immer noch und wieder unzählige Schriftsteller im Exil leben und arbeiten.

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Bettina Baltschev: Hölle und Paradies
Amsterdam, Querido und die deutsche Exilliteratur
Berenberg Verlag; Berlin 2016

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Im Oktober 2016 startete ich meine Reihe Verlagsgeschichte im Fokus. Den Anfang machte damals der Verlag Kiepenheuer & Witsch. Frank Möller gibt mit seinem Buch „Dem Glücksrad in die Speichen greifen“ Einblicke in die Verlagsgeschichte des Kölner Verlages.

Das Schöne an diese Reihe: Die Geschichte bietet so viele Entdeckungen und zeigt so viele Verbindungen auf. Und so sind auch Kiepenheuer & Witsch und der Querido Verlag durch die Person Fritz Landshoff indirekt miteinander verbunden.