Lateinamerikanische Literatur – Héctor Abad stellt deutschem Publikum „La Oculta“ vor

Letzten Freitag stellte der kolumbianische Schriftsteller Héctor Abad seinen aktuellen Roman „La Oculta“ im Haus des Buches in Frankfurt vor. Das Gespräch führte die Lektorin des Autors Corinna Santa Cruz und den deutschen Text las der Schauspieler Jochen Nix. Im Rahmen des Frankfurter Literaturfestivals literaTurm konnte litprom, die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V. damit eine ganz besondere Lesung zum Programm beisteuern.

Einführende Worte fand Litprom Geschäftsleiterin Anita Djafari, die dieses Jahr zur Bücherfrau des Jahres gekürt wurde. Sie verwies auf den aktuellen Weltempfänger, die Bestenliste von litprom, auf die der Roman dieses Quartal landete. Gleichzeitig gestand sie aber, dass sie ein anderes Buch des Autors bevorzuge: Abads „Kulinarisches Traktat für traurige Frauen„.

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Jochen Nix, Héctor Abad und Corinna Santa Cruz | (c) Andreas Pleines, Frankfurt

Héctor Abad lebt momentan in den Niederlanden und arbeitet als Writer in Residence am niederländischen Institute for Advanced Study (NIAS). Er kann mittlerweile auf ein recht bewegtes Leben, das auch von Flucht und Gewalt geprägt ist, zurückblicken. Er wurde 1958 in Medellín geboren und verließ 1982 wegen eines papstkritischen Artikels als Student das erste Mal sein Land. Fünf Jahre später kehrt er zurück um noch im selben Jahr nach Europa zu flüchten, da sein Vater, Héctor Abad Gómez, ein bekannter Arzt und Universitätsprofessor ermordet wurde. Fünf Jahre lebte er im italienischen Exil und arbeitete als Dozent an der Universität in Verona. Seit seiner Rückkehr 1992 schreibt er Romane und ist auch als Kolumnist und Journalist tätig.

2006 konnte er während eines DAAD Stipendiats in Berlin seinen aktuellen Roman „La Oculta“ beenden. Und so überraschte er am Abend nicht nur mit einigen deutschen Passagen, sondern auch mit dem Kompliment, dass er den Klang der deutschen Sprache sehr gern höre – und das als spanischer Muttersprachler. Er würde auf jeden Fall Deutsch lernen, nur um die Werke von Joseph Roth im Original zu lesen. Er sei ein großer Bewunderer des österreichischen Autors und besonders fasziniere ihn der Roman „Die Flucht ohne Ende“.

„Espero que Europa no pierde este espíritu“

Kolumbien ist in all seinen Romanen und Büchern das Hauptthema schlechthin. Er ist dort geboren, hat dort gelebt und sein Heimatland ist die Quelle all seiner Inspiration. Um über Kolumbien zu schreiben, dürfe er sich dort aber nicht aufhalten. Er könne in Europa viel besser über Kolumbien reflektieren. Sobald er zu Hause sei, wäre er zu sehr abgelenkt und verpflichtend eingespannt. So könne er fern ab der Heimat Ruhe finden und schreibe deshalb in den Niederlanden mehr als sonst.

Europa ist für ihn ein Ort des Durchatmens und sein dringlichster Wunsch ist, dass sich Europa treu bleibt. Es solle weiter seinen Weg gehen und Ort der Zuflucht bleiben. Hier finden viele wunderbare Ideen wie die Menschenrechte ihren Ursprung. Und obwohl es hier in Deutschland oder auch an anderen europäischen Orten viele besondere Plätze gibt, könne er sich nicht vorstellen sich hier niederzulassen. Wenn er in Europa sei, plage ihn das Heimweh, in Kolumbien hingegen das Fernweh.

„La Oculta“ ist bereits 2014 in Kolumbien erschienen und er dachte damals, dass der Roman das deutsche Publikum wohl eher nicht interessieren dürfte denn das Konzept einer Finca wäre ein zutiefst lateinamerikanisches, kolumbianisches Thema. Sie ist Dreh- und Angelpunkt im Roman und der Name der Finca ist zugleich der Buchtitel „La Oculta“. Die Komplexität des Motivs hänge mit der Geschichte des Landes beziehungsweise mit dem gesamten Kontinent zusammen. Die Finca wird dabei zum Mythos und wird von den Städtern in ihren Erinnerungen geradezu idealisiert. Trotz der Landflucht und der vor über 50 Jahren einsetzenden Verstädterung bliebe die Finca und das damit verbundene Land in den Herzen und Köpfen der Kolumbianer. Man könne es auch als „locura por la tierra“ bezeichnen.

Im Roman müssen sich die drei Geschwister Antonio, Pilar und Eva nach dem Tod der Mutter gemeinsam überlegen, wie es mit der vererbten Finca „La Oculta“ weiter geht. Dabei bindet Abad Rückblicke, die bis in die Kolonisierung der kolumbianischen Gebiete reichen, ein. Durch die drei sehr verschiedenen Charaktere ensteht ein vielschichtiges Bild der Familie aber auch der kolumbianischen Gesellschaft. Der schwule Antonio, der mit seinem Freund in New York lebt, steht für die fünf Millionen Kolumbianer, die sich fernab der Heimat befinden. Eva charakterisiert die moderne, neue Frau, die sich löst von alten Strukturen, die sich befreit – auch von der Finca. Und Pilar als Stütze, die die Familie zusammenhält und die Finca, die jahrhundertealten Traditionen und Werte bis aufs Blut verteidigt.

Die im Roman beschriebene Finca basiert auf einer real existierenden Vorlage. Abads Großvater hinterließ seinen Kindern ein Erbe in Form eine Finca, wobei Abdas Vater 1/8 von eben jener erhielt. Der 1987 ermordete Vater nahm seiner ältesten Tochter, wie im Roman, den Schwur ab, das Land niemals zu verkaufen. Seit über hundert Jahren sei nun die Finca im Besitz der Familie, die er und seine fünf Schwestern verwalten.

In seiner Region gäbe es ein Sprichwort: Die zwei schönsten Tage im Leben sind, wenn man eine Finca kauft und wenn man sie wieder verkauft.

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An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an litprom, die es immer wieder ermöglichen Schriftsteller aus Lateinamerika nach Frankfurt zu holen. Beim Weltempfänger-Salon konnte ich neben Héctor Abad den ebenfalls aus Kolumbien stammenden Autor Juan Gabriel Vázquez und den in Honduras geborenen Horacio Castellanos Moya erleben.

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