Zu Besuch beim Suhrkamp Verlag in Berlin

Der Suhrkamp Verlag ist der Verlag, den ich – schon als junge Leserin – wirklich als Verlag mit einem eigenständigen Programm wahr genommen habe. Das lag vor allem an Hermann Hesse und seinem schriftstellerischen Werk, dem vor einigen Jahren noch sehr stark ausgeprägten Lateinamerika Schwerpunkt mit Mario Vargas Llosa, Carla Guelfenbein, Isabell Allende und dem Programm des Jüdischen Verlags, der Schriftsteller wie Lizzie Doron und Else Lasker-Schüler im Programm hat.

Von außen erscheint das Haus in der Pappelallee 78-79 eher unscheinbar, früher saß hier einmal das Finanzamt. Heute beherbergt es einen der renommiertesten deutschsprachigen Verlage und es ist schon ein kleines Glück, diesen auch mal von innen begutachten zu können. Bereits zum zweiten Mal durchstreifte ich die heiligen Hallen in Berlin und es wird endlich auch Zeit Bericht zu erstatten. Das erste Mal besuchte ich den Verlag im Rahmen meiner Serie Blogs der Buchbranche im Portrait. In einem hoch interessanten Interview beantwortete mir damals Lektorin Doris Plöschberger meine Fragen zum Logbuch des Suhrkamp Verlages.

Der zweite Besuch entstand infolge der Einladung, die ich aus der Online-Marketing Abteilung erhielt. Unter dem Hashtag #eintagbeisuhrkamp twitterten und posteten 15 Literaturblogger, die die Reise nach Berlin angetreten hatten, um den Verlag näher kennenzulernen.

Bereits am Vorabend erlebten wir mit Christiane Schneider, Leiterin des Theater Verlages die Vielschichtigkeit des Suhrkamp Verlages. Sie erzählte uns im neuen Proberaum des Deutschen Theaters Berlin welche Herausforderungen sich tagtäglich in einem Theaterverlag ergeben. Im Anschluss sahen wir das Stück „Mittelreich“ von Josef Bierbichler. Der Schriftsteller hatte den gleichnamigen Roman 2013 beim Suhrkamp Verlag veröffentlicht und diesen zur Adaption für ein Theaterstück frei gegeben. Ich kannte das Buch bisher nicht, war aber von der Aufführung  begeistert. Bloggerkollege und Theaterexperte Jochen Kienbaum hat zur Inszensierung auf seinem Blog lustauflesen.de Wissenswertes zusammengetragen.

Im großen Konferenzraum, der normalerweise für Vertretertage genutzt wird, startete tags darauf der gemeinsame Verlagsrundgang. Demian Sant’Unione, Verantwortlicher für Online-Marketing & Community Management führte uns durch endlose Flure vorbei an den einzelnen Abteilungen, die er vorstellte.

Besonders interessant waren die Einblicke von Alexandra Stender, Herstellungsleiterin bei Suhrkamp und Nora Mercurio, verantwortlich für Rechte und Lizenzen. Letzere klärte zunächst auf, dass in ihrer Abteilung keine Juristen arbeiten würden. Alle Mitarbeiter seien Literaturwissenschaftler und sind in drei großen Aufgabengebieten aktiv. Dem Rechteerwerb, der Rechtesicherung und dem Rechteverkauf. Zu den rund 45.000 bestehenden Verträgen, die Nora Mercurio als wahren Schatz bezeichnete, kämen jährlich bis zu 450 neue Verträge hinzu. Der Suhrkamp Verlag hielte die vorhandenen Rechte aber nicht hinterm Berg, sondern veröffentliche diese für jeden einsehbar auf der Website des Verlages unter Right & Foreign Rights.

Zum Rechteerwerb- und kauf gehören auch die regelmäßigen Besuche auf den internationalen Messen wie der Frankfurter Buchmesse und der London Book Fair. Für Nora Mercirio sei aber die italienische Buchmesse in Turin der Salone Internazionale del Libro Torino eben so wichtig, gehen doch immerhin 60 (!) Lizenzen pro Jahr nach Italien. Spannend empfinde sie ihre Arbeit auch nach über 15 Jahren in der Abteilung. Der tägliche Kontakt mit den unterschiedlichen Erbengemeinschaften, allen voran natürlich mit den Hesse-Erben, die Suche nach dem passenden Verlag für Hausautoren im Ausland und die zahlreichen Belege (ca. 300 pro Jahr) aus dem Ausland seien Anreiz und Belohnung für ihre Arbeit.

 Farbschnitt, Naturpapier und Klappenbroschur – die Trends der Buchgestaltung

Alexandra Stender betreut im Jahr bis zu 400 Neuerscheinungen und deren Herstellungsprozess. Ein Mammutprojekt, wenn man bedenkt, dass ein Buchprojekt bis zu drei Monaten für die Herstellung benötigt. Davon wiederum sind vier Wochen nur für Druck und Bindung (zumindest theoretisch) geplant. Oft sind die Zeitspannen aber kürzer. Eine Ahnung von der Komplexität der Aufgabe bekommen wir als Frau Stender aus dem Nähkästchen plaudert: So wurden für die Hardcover Ausgabe des Buches „Der Hals der Giraffe“ von Judith Schalansky sieben verschiedene Leinensorten verwendet, da in Deutschland die gewünschte Leinensorte für den Umschlag nicht erhältlich war. Erst bei der letzten Auflage erhielt das Buch den Wunschleinen der Autorin.

Ein Highend Produkt des Hauses ist die Bibliothek Suhrkamp. Die Grundaustattung besteht aus Hardcover, Fadenheftung, farbigem Vorsatz und Lesebändchen. Um die Fülle an Titeln jedes Jahr stemmen zu können, arbeitet der Verlag mit zwölf Agenturen zusammen.

Ein Mal im Jahr treffen sich die rund 100 Herstellungsleiter der Branche im Kloster Irsee zu einer 4-tägigen „Arbeitstagung der Herstellungsleiter“, um sich über die aktuellen Trends in der Buchgestaltung auszutauschen. Für Suhrkamp-Herstellungsleiterin Alexandra Stender sind das der Farbschnitt, die Verwendung von Naturpapier und die besondere Gestaltung der Klappenbroschur.

Die Insel Bücherei ist wohl jedem Bücherfreund mehr oder weniger ein Begriff. In einem extra Raum befand sich für Sammler eine wahre Augenweide. Ist dort doch die komplette Reihe chronologisch sortiert und bei genauerer Betrachtung findet sich das eine oder andere Schmuckstück – inhaltich wie gestalterisch. Wie zum Beispiel Band Nr. 1231  Hermann Hesse „Stufen des Lebens. Briefe“.

Neben der perfekten Form für jedes Buch ist natürlich der Inhalt die wichtigste Komponente. Doris Plöschberger und Frank Wegner sind zwei der Hauslektoren, die den Schreibprozess vieler Schrifsteller begleiten. Von ihnen erhielten wir auch einen Einblick in das kommende Herbstprogramm.

Eine Italienerin namens Elena Ferrante wird mit dem ersten Band einer Neapolitanischen Saga Meine geniale Freundin“ wohl für einige Furore im deutschsprachigen Raum sorgen, ebenso die deutsche Schriftstellerin Emma Braslavsky, die uns aus ihrem neuen Roman „Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehenvorgelesen hatte. Pünktlich im Herbst wird es auch etwas Neues von Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa geben. Den Roman „Enthüllungen“ wird der peruanische Schriftsteller auf einer Deutschlandreise dem Publikum vorstellen.

Weitere Beiträge zu #eintagbeisuhrkamp sind zu finden auf Buzzaldrins Bücher, Klappentexterin, Kaffeehaussitzer und Muromez.

Suhrkamp Verlag 16
#GönnDirSuhrkamp – nicht nur ein Hashtag!

Hinweis: Fotos und Informationen stammen von zwei verschiedenen Verlagsbesuchen. Weitere Berichte von Verlagsbesuchen befinden sich hier.

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