Raul Zelik: Der bewaffnete Freund

Den Schriftsteller Raul Zelik hatte ich bereits vor einiger Zeit auf einer Lesung in Frankfurt kennengelernt. Neben dem damaligen aktuellem Buch „Der Eindringling“ stellte er auch ältere Titel vor und so entdeckte ich seinen 2007 erschienen Roman „Der bewaffnete Freund“.

Die Geschichte eines Deutschen, der mit einem abgetauchten und gesuchten Basken befreundet ist, fesselte mich sofort. Nach der Lesung und einer näheren Beschäftigung mit der Person Raul Zelik war mir bewusst, dass das Buch eine gewisse Brisanz in sich bergen wird. Wie sehr es mich jedoch aufwühlte, war mir nicht klar. Hoch politisch und polarisierend thematisiert Zelik viele aktuelle Problematiken der europäischen Gesellschaft im beginnenden 21. Jahrhundert: Die Einwanderung der afrikanischen Völker über das Mittelmeer, die Gewalt im Baskenlandkonflikt, die Frage nach kultureller und völkerrechtlichen Identität im immer stärker werdenden Europa. Das sonst so klischeebehaftete Spanien a lá Olé, Stierkampf, Sonne, Flamenco, Wein und Oliven bekommt in diesem Zusammenhang und im Roman einige wohltuende Risse:

„Spanien“ fahre ich fort „hat nie mit der Diktatur gebrochen. Der König wurde von Franco eingesetzt und auch das erst, nachdem Zubietas Organisation Carrero Blanco, den ursprünglichen vorgesehenen Nachfolger, umgebracht hat. Die Verfassung wurde in der Region bei einem Referendum genauso abgelehnt wie der Eintritt in die NATO. Kein Franquist kam je ins Gefängnis, auf den Polizeiwachen wird heute noch gefoltert, und wenn es in den letzten Jahren eskalierte, hat man immer wieder damit gedroht die Panzer aus den Kasernen zu holen.“

Zur Geschichte selbst: Alex, wissenschaftlicher Mitarbeiter und in Berlin lebend, erhält den Zuschlag für ein Forschungsprojekt an der Universität von X (Die größte Stadt des Baskenlandes Bilbao wird im Roman konsequent X genannt). Er kennt die Stadt und die Umgebung sehr genau, da er zu Jugend- und Studentenzeiten viele Sommer in der Gegend verbracht hat. Dort machte er auch die Bekanntschaft mit Zubieta. Dieser engagierte sich schon damals für die Unabhängigkeit des Baskenlandes und befreite einen sehr bekannten baskischen Schriftsteller aus dem Gefängnis. In diesem Zusammenhang musste er aus Europa fliehen und nach Lateinamerika flüchten. Die Freundschaft mit Alex blieb aber über all die Jahre bestehen.

Nun sind beide ins Baskenland zurückgekehrt. Der eine mittlerweile Kopf der verbotenen Organisation, der andere auf dem besten Weg eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen. Alex wird über einen geheimen Kontakt Zubietas angesprochen. Seine Bitte: Alex soll Zubieta durch halb Spanien zu einem bestimmten Treffpunkt fahren. Die Reise gestaltet sich zu einer rasanten Fahrt durch das aktuelle Spanien, getragen von Fragestellung: Was macht eine Freundschaft aus und vor allem was hält sie aus?

Neben den brisanten gesellschaftlichen Sachverhalten und den Motiven der Freundschaft nimmt sich Zelik aber auch der komplexen wie emotionsgeladenen Thematik der Sprache (insbesondere des Baskischen) an. Dazu ein Interview mit dem bekannten Schriftsteller Bernado Atxaga, das im Buch wieder gegeben wird:

Der Schriftsteller wird gefragt, warum er so viel Energie in die längst nicht mehr verbotene, nur noch überflüssige Sprache investiert.
INTERVIEWER: … mir wäre es, angenommen, ich könnte das Englische gut genug, egal, meine Muttersprache aufzugeben und ins Englische zu wechseln.
ATXAGA:  Es kommt selten vor, dass jemand die Sprache, mit der er groß geworden ist, aufgibt. Da geht es um affektive, familiäre Dinge. Wenn Sie mir sagen, dass Ihnen die Beziehung zu Ihren Freunden nicht wichtig ist, mag das stimmen. Ich bin alt genug, um zu wissen, dass so etwas vorkommt. Aber genauso akzeptabel ist es, wenn es jemand anderem nicht so geht. Es gibt Menschen, die wegen einer Liebe 2.000 Kilometer reisen, während andere nicht einmal 1.000 Kilometer gehen würden.

Ich hatte vor kurzem Besuch von einem Schriftsteller, der als einer der renommiertesten englischsprachigen Autoren gilt, obwohl seine Muttersprache nicht Englisch ist. Warum schreibt er auf Englisch? Weil er aus einem Land der Peripherie stammt, und es einen Unterschied macht, ob du deine Autorenrechte in Dollars oder in namibischen Kronen beziehst. Dahinter steckt eine Machtbeziehung – zwischen Nord und Süden, zwischen Reich und Arm. Und dabei glaube ich nicht, dass eine Sprache eine transzendentale Angelegenheit ist. In ihr spiegelt sich kein verborgenes kollektives Bewusstsein, keine festgeschriebene Andersartigkeit. Es ist einfach eine Sprache, die man gerne spricht. Mehr nicht.

Immer wieder bindet Zelik Rückblicke aus der spanischen/europäischen Geschichte ein und gibt interessante Einblicke in das aktuelle politische Konstrukt Spaniens. Alex wird als Mensch mit all seinen Fehlern, Gefühlen und Ängsten sehr genau gezeichnet und mich hat die Radikalität einiger Aussagen teilweise überrascht aber auch zum Nachdenken gebracht. Eine Leseempfehlung.

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Raul Zelik: Der bewaffnete Freund
Blumenbar Verlag, München 2007

5 Kommentare

    1. Das Cover ist gut aber so richtig zum Inhalt passt es nicht. Das Buch hat mich auf jeden Fall überrascht und an vielen Passagen nachdenklich gestimmt. Zu dieser Thematik findest man im deutschsprachigen Raum nicht wirklich viel.

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