#lbm15 und die Literatur

Die Leipziger Buchmesse 2015 ist vorbei. Neben den vielen herzlichen Begegnungen mit Literaturbloggern und Menschen aus der Branche habe ich vor allem viele Anregungen für die zukünftige Lektüre erhalten. Kurz zusammengefasst, möchte ich auf kommende Höhepunkte hinweisen.

Ein sehr wichtiger Schwerpunkt war dieses Jahr das Jubiläum 50 Jahre Diplomatische Beziehungen Israel-Deutschland. In diesem Rahmen besuchten viele israelische SchriftstellerInnen mit neuen Texten die Buchmesse in Leipzig. Unter anderem Amos Oz und Meir Shalev. Beide begeistern mich mit ihrem Werk aber vor allem faszinieren sie mich als Menschen. Beide sind ungewöhnlich unterhaltende Erzähler und schöpfen aus einem unendlichen Fundus an Geschichten und Anekdoten. Amoz Oz erlebte ich mit seinem neuen Roman „Judas“ im Schauspielhaus Leipzig während Der langen Nacht der deutsch-israelischen Literatur. Einen atmosphärischen Bericht kann man bei „Leipzig lauscht“, dem Blog zu Leipzig liest nachlesen.

Meir Shalev habe ich in der Nationalbibliothek zugehört. Dieser Ort hat für mich schon Tradition. Er erinnert mich an meine Studentenzeit und für einen gefühlten Augenblick ist man wieder ganz Studentin und kann sich diesem ehrfürchtigen Lesesaal nicht verwehren. Sein neues Werk „Zwei Bärinnen“ hatte ich bereits zuvor gelesen und war nun gespannt noch mehr zu Entstehungsgeschichte zu erfahren. Zu hören bekam ich aber vor allem herrliche Anekdoten aus seiner Kindheit: Wie sich seine Mutter und sein Vater kennengelernt haben und wie sehr ihn die einzelnen Elternteile beeinflusst haben. Er arbeitet bereits an neuen Projekten. An einem Roman, an einem nicht fiktionalem Buch über seinen Garten und an einem Kinderbuch.

Diogenes begann bereits in kleiner Runde die Herbstnovitäten vorzustellen. Noch ist nichts dabei, was mich wirklich begeistert, obwohl ein japanischer Dostojewski angekündigt wurde. Von daher setze ich mich demnächst in den Zug und schau mir das Ganze mal vor Ort an. Ich bin mir sicher, dass es in Zürich noch die eine oder andere Perle zu entdecken gibt. Bis dahin erfreue ich mich an der genialen Kampagne mit originellen Sprüchen zum Thema Lesen und Literatur.

Aktuelle Kampagne von Diogenes
Aktuelle Kampagne von Diogenes

Einen Abend verbrachte ich mit anderen Mitgliedern und Genossen bei der Buchgemeinschaft Büchergilde. Während Mitarbeiter aktuelle Bücher aus dem Programm vorlasen, zeichneten junge Illustratoren am Tisch die anwesenden Gäste. An mir versuchten sich die beiden Zeichnerinnen Nadine Pranger und Johanna Benz.

Nadine Prange und Johanna Benz (v.l.) portraitierten die Bücherliebhaberin

Meine Begeisterung für Michael Bulgakow, die sich aktuell in der Lektüre von „Die verfluchten Eier“ und „Das hündische Herz“ niederschlägt, nahm weiter Fahrt auf als ich beim Luchterhand-Verlag eine Ausgabe mit einer Auswahl von Tagebuchauszügen und Briefen Bulgakows entdeckte: „Ich bin zum Schweigen verdammt“

„Ich spüre, wie sich meine Gedanken emporschwingen, wie jetzt in der absurden Situation zeitweiliger Enge in dem scheußlichen Zimmer des scheußlichen Hauses, und ich weiß, dass ich als Schriftsteller unermesslich stärker bin als alle, die ich kenne. Aber unter meinen jetzigen Umständen gehe ich womöglich in die Knie. […] Alles ist verboten, ich bin ruiniert, ich werde gehetzt, ich bin völlig einsam. Wozu einen Schriftsteller in einem Land festhalten, in dem seine Werke nicht existieren können?“

Klassiker und nochmals Klassiker gab es beim Klassiker-Verlag Manesse. Hellhörig wurde ich beim neu übersetzten Fjodor Dostojewski. Der Erzählband „Das Krokodil“ enthält fünf satirische Geschichten – eine Seite des russischen Schriftstellers, die nicht allzu bekannt ist. Des Weiteren stieß ich auf einem gewissen Jean Prévost. War mir bisher völlig unbekannt. Er gilt aber als Entdecker Saint-Exupérys und war mit Hemingway befreundet. Er starb als Réstistancekämpfer in Frankreich. Nun sein Roman „Das Salz in der Wunde“ erstmals auf Deutsch. Bei Dumont verzauberten mich „Die Engel von Paul Klee“. Boris Friedewald gibt Auskunft über Entstehung und Bedeutung der Engelzeichnungen innerhalb des Lebenswerks des Künstlers.

Anna Seghers lief mir während dieser Messe gleich mehrmals über den Weg. Zum einem erwarb ich bei der Literaturmeile der Leipziger Antiquariate eine wunderbare alte Büchergilde-Ausgabe von „Transit“ inklusive Begleitbuch mit vielen Hintergrundtexten zum Roman – beides praktisch und ansehnlich im Schuber. Und eine Überraschung erlebte ich beim Aufbau Verlag, der den Klassiker „Das siebte Kreuz“ gleich in zwei verschiedenen Ausgaben verlegen wird. Zum einem eine bibliophile Leseausgabe mit einem Nachwort von Thomas Steinaecker und zum anderen als Graphic Novel mit den Originalillustrationen von William Sharp. Der jüdische Illustrator floh in den 40er Jahren ins amerikanische Exil und veröffentlichte seine Bildfolgen zu „Das siebte Kreuz“ in über einem Dutzend amerikanischen Tageszeitungen.

Meiner Leidenschaft nachgehend habe ich auch nach lateinamerikanische Schriftstellern gesucht und bin bei Matthes & Seitz fündig geworden. Der Berliner Verlag widmet dem  argentinischen Schriftstellers César Aira eine zehnbändige Bibliothek. Die ersten drei Bände erscheinen bereits im Frühjahr. Zu jedem weiteren Programm sind drei bis vier Bände geplant. Er wird den Lesern also eine ganz Zeit erhalten bleiben. Besser so, denn schon der chilenische Autor Roberto Bolaño weiß zu berichten: „Es ist frustrierend: wenn man einmal angefangen hat, Aira zu lesen, kann man nicht mehr aufhören. Sicher ist er ein Exzentriker, aber auch einer der drei oder vier besten spanischsprachigen Autoren unserer Zeit.“

Alejandro Zambra veröffentlicht bereits sein zweites Buch auf Deutsch. Während sein erster Roman „Die Erfindung der Kindheit“ sich vor allem mit der Vergangenheitsbewältigung der Chilenen hinsichtlich ihrer Erfahrungen und Erlebnisse während der Diktatur auseinandersetzt, ist der neue Roman „Bonsai“, laut Suhrkamp eine blendend schöne Miniatur einer epischen Liebesgeschichte. Zwei weitere Bücher sind ebenfalls in mein Blickfeld gerückt. Lydia Tschukowskaja und ihr Roman „Untertauchen“ und eine Abhandlung zum Thema „Wie man Baske wird. Über die Erfindung einer exotischen Nation“ von Ibon Zubiaur.

Einige aktuelle Neuerscheinungen habe ich bereits gelesen. So den allseits gefeierten Roman von Sybille Berg „Der Tag als meine Frau einen Mann fand“, Michael Bergmanns  „Weinhebers Koffer“ und das brisante Sachbuch von Dror Moreh „The Gatekeeper – Aus dem Inneren des israelischen Geheimdienstes“. Einige Bloggerkollegen haben sich diesen Werken bereits ausführlich genähert, so dass ich gern auf ihre Beiträge verweise.

lustzulesen: Sibylle Berg Der Tag als meine Frau einen Mann fand
masuko13 auf wereadindie: Michael Bergmann Weinhebers Koffer

Nur leider habe ich zu „The Gatekeeper“ keine Rezension gefunden. Aus diesem Grund werde ich demnächst selbst das Buch vorstellen denn es sollte gelesen werden.

6 Kommentare

  1. Liebe Vera,
    ein toller Post über die Leipziger Messe – und viele spannende Bücher setzt Du uns da ins Bild. Besonders beneide ich Dich um den Abend bei der Büchergilde…und ja, die Diogenes-Kampagne gefällt mir auch sehr. Habe schon einige Karten verschenkt.
    Liebe Grüsse
    Kai

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  2. So viele Lesevorschläge, so viele tolle Begegnungen. Uns hat unser Blogger-Kaffeeklatsch sehr viel Spaß gemacht! Vielen Dank fürs Dabeisein und bis zur nächsten Buchmesse.
    Viele Grüße

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    1. Schön, dass sich auch jemand von Verlagsseite meldet. Vielen Dank für Eure Zeit und die vielen wertvollen Informationen. Bis zur nächsten Buchmesse!

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  3. eine tolle bunte Mischung an Lesevorschlägen und Tipps. Ich glaube, jeder kraxelt gerade auf den Bücherberg. In der Vergangenheit habe ich auch immer mal wieder gern ein Buch aus Südamerika und Spanien gelesen. Und an die Nationalbibliothek kann ich mich auch persönlich noch sehr gut erinnern: Am schönsten waren die Pausen im Café/Speiseraum. Und wehe das Handy klingelte, da gab es einen strengen Blick von den Mitarbeitern.

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    1. Das Problem an diesen Bücherbergen: Sie hören gar nicht auf zu wachsen und so werden wir kraxeln ohne je ein Ende zu finden. In der Nationalbibliothek war ich oft aber noch viel öfter war ich in der Albertina. Die fand ich fast noch schöner als die DB. Da gabs auch keine strengen Blicke von den Mitarbeitern ;)

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      1. Ja, die Albertina habe ich nach ihrer Neueröffnung auch erleben dürfen. Die Architektur ist wunderbar. Das wären doch auch mal Orte, zu denen man Blogger führen könnte. Darüber habe ich mir in letzter Zeit ein wenig Gedanken gemacht: Blogger auf Reisen, zu besonderen literarischen Orten. Ich würde mir beispielsweise sehr gern das Marbacher Literaturinstitut anschauen.

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