Hanser Verlag ermöglicht Bloggern einen Blick hinter die Kulissen

24 Stunden München und ein Besuch des Hanser Verlags liegen hinter mir. Ein ganzes Team, von Werbung über Presse bis hin zur Herstellung, war daran beteiligt und hat ein sehr vielschichtiges Programm auf die Beine gestellt. Im Fokus standen natürlich die neuen Frühjahrsprogramme von Hanser/Hanser Berlin, Zsolnay & Deuticke und das Kinder- und Sachbuchprogramm. Aber nicht nur aktuelle Neuerscheinungen sollten besprochen werden. Es ging vor allem auch um Kommunikation, um das zukünftige Miteinander und einen Erfahrungsaustausch zwischen Bloggern und Verlag.

Annika Reich: Die Nächte auf ihrer Seite
Annika Reich: Die Nächte auf ihrer Seite

Den Auftakt bildete Donnerstagabend eine wunderbare Frau und Schriftstellerin: Annika Reich. Sie stellte erstmals ihren neuen Roman „Die Nächte auf ihrer Seite“ vor. Beeindruckt hat mich ihre lebensfrohe, einnehmende und sympathische Art. Sie präsentierte nicht nur ihr Buch, sondern sie durchlebte mit uns auch noch einmal den Entstehungsprozess, den sie selbst als chaotisch bezeichnet. Den sie aber mit den Jahren als „professionalisierten Blindflug“ etabliert hat. Am Anfang sind es immer zunächst nur Bilder und Gedanken im Kopf, die sich später zu einer Geschichte verdichten. Sie erzählte von ihrem Kampf mit dem Lektorat, um einzelne Sätze und Motive, die unbedingt ins Buch müssen.

Ihre Initialzündung fürs Schreiben war Mio, mein Mio von Astrid Lindgren. Momentan schreibt sie gerade selbst an einem Kinderbuch, in dessen Entstehungsprozess ihre Kinder von zehn und elf Jahren großen Einfluss nehmen. Ihre Tochter gab sogar die Inspiration für die Illustrationen. Der Vertrag mit der entsprechenden Künstlerin sei wohl schon so gut wie unterschrieben. Seit 2001 führt die Schriftstellerin einen privaten Blog und ist zudem für den FAZ Blog Ich.Heute 10 vor 8 verantwortlich. Und schon waren wir mittendrin in einer Debatte bzgl. diverser Bloggerthematiken: Wie ziehe ich mit meinem Blog um? Warum kommentiert keiner? Welche schrägen Typen kommentieren nachts halb zwei und so weiter und so fort.

Der Abend im Verlag endete spät und setzte sich an der Hotelbar in unserem Hotel fort. Hier muss ich einmal kurz abschweifen und ein wenig ins Schwärmen kommen. Das Splendid-Dollmann ist ein wahres Schmuckstück mit Ambiente. Antiquarische Möbel, historische Bildmotive an den Wänden und eine hauseigene Bibliothek mit Stefan Zweig und Ernest Hemingway machten diesen Ort zu einer optimalen Bleibe für unseren Aufenthalt.

Am nächsten Morgen begrüßte uns Jo Lendle, der Verleger des Hanser Verlages und nebenbei auch Schriftsteller. Im Laufe des Tages stieß er noch des Öfteren zu uns und es boten sich reichlich Gesprächsanlässe. Die aktuellen Titel des Hanser Verlages und Hanser Berlin wurden uns von Lektorin Tatjana Michaelsen vorgestellt. Mein persönliches Highlight ist ganz klar Milan Kundera. Eine Überraschung für mich und zugleich Inspiration für mein nächstes Special. Dazu in ein paar Wochen mehr. Es folgen Sybille Berg, die ich bereits auf der Rückfahrt im Zug gelesen habe und Barbara Honigmann.

Auf die Vorstellung der Titel des Zsolnay Verlages hatte ich mich besonders gefreut, birgt doch schon die Verlagsgeschichte und die programmatische Ausrichtung so viel Interessantes. Durch Susanne Rössler, Presseverantwortliche des Zsolnay Verlags, angeregt, notierte ich mir gleich drei Highlights: Vladimir Vertlib, Miklos Bánffys und Richard Schuberth.

Nachdem auch Deuticke und die relativ neue Hanser Box von Lena Däuker vorgestellt wurde, brachen wir zu einem Verlagsrundgang auf. Werbung, Lektorat, Presse und Vertrieb wurden besucht und in zuletzt genannter Abteilung begannen die Fragen und so erfuhren wir die ersten Interna: Der Bestseller 2014 war Robert Seethaler mit seinem Roman „Ein ganzes Leben“. Aber auch bei Hanser gibt es Ladenhüter, so etwa den Briefwechsel von Rudolf Borchardt mit wenigen hundert verkauften Exemplaren. Im Verlagsgebäude, dem ehemaligen Wohnhaus Carl Hansers sitzen momentan ca. 60 Mitarbeiter, die für die Bereiche Belletristik, Kinder- und Sachbuch zuständig sind. Die Kollegen des Fachbuchverlages sitzen in der Kohlbergstraße, dem ehemaligen Verlagshaus. In der Presseabteilung fühlte ich mich gleich zu Hause: Presseschau, tägliches Monitoring und Pressearchiv – wohlbekanntes Terrain. Am „Rest der Rampe“ – ein Tisch, auf dem man etwas zurücklassen und auch wieder mitnehmen kann, erfuhren wir von Christina Knecht, Presseleitung des Hanser Verlages, dass es heutzutage nicht mehr so leicht ist Lesungen zu platzieren.

Verleger Jo Lendle demonstrierte derweilen seinen Schreibtisch, noch von Hanser persönlich, mit integrierter Stenoplatte und überzogener Schweinehaut.

Am Nachmittag führte uns Herstellungsleiterin Stefanie Schelleis in die Gestaltung von Büchern ein. Anhand von verschiedenen Exemplaren wurden uns Gestaltungs-, Material- und Farbkonzept erklärt. So wird für jedes Buch ein eigener gestalterischer Ansatz gesucht, um Lesbarkeit, Struktur und Oberflächen zu definieren. Ihr Leitspruch: Wir dienen dem Text und unterstützen diesen, bewegen uns selbst im Hintergrund. Ein ganz besonderes Schmuckstück aus dem letzten Jahr ist Karen Köhler und ihr Erzählband „Wir haben Raketen geangelt“. Da sie selbst auch Grafikerin ist, war sie zu hundert Prozent in den gestalterischen Prozess einbezogen. Bei caterina von SchöneSeiten könnt ihr das ganze Werk bestaunen. Art Director Peter Hassiepen präsentierte im Anschluss auf sehr humorvolle Art und Weise den Prozess einer Coverfindung. Da kann es schon mal bis zu 30 verschiedene Versionen geben. Die Tücke: Bei Covern fühlt sich plötzlich jeder kompetent genug, um mitreden zu können. Diskutiert wurde zugleich im Anschluss der gestalterische Ausreißer des letzten Buches von Roberto Bolaño. Erschienen „2666“ und „Lumpenroman“ noch in einem einheitlichen Format so war der Erzählband „Mörderische Huren“ komplett anders gestaltet. Nadine von literaturundfeuilleton stellte in ihrem Resümee folgerichtig fest: „Roberto Bolaño mit farbigem Schnitt und edlem Karton im Reihen weiterführenden violett müsste man den VertreterInnen rechts und links um die Ohren hauen, Besinnung erhoffend“.

Bei der Gestaltung von Kinderbüchern werden auch schon mal Kinder von Mitarbeitern und Freunden um fachmännischen Rat gebeten. Aus dem neuen Kinderbuchprogramm fiel mir sofort eins ins Auge: Katzenaugen-grüne-Trauben-Blitzer-Glitzer-Geistergrün von Tanja Dückers & Katja Gehrmann.

All die vorgestellten Bücher sind jedoch für das Verlagsteam schon wieder veraltet. Lektorat, Gestaltung und Herstellung sitzen bereits am Herbst Programm 2015. Zunächst erwartet uns Leser aber ein literarischer Frühling mit wunderbaren Neuerscheinungen.

Blogger Relations als zukunftsweisendes PR-Tool ist nicht neu. Zumindest in anderen Branchen entwickeln sich Blogs seit Jahren zu kommerziellen Kleinunternehmen und sind damit potenzielle Partner für Markenkampagnen. Nun reagiert auch die Buchbranche. Die ernsthaften Bemühungen um uns Blogger sind schon länger zu spüren. Auf der letzten Buchmesse in Frankfurt war in Gesprächen immer wieder zu hören: Was wünscht ihr euch als Blogger von uns? Wie soll Kommunikation stattfinden? Der Hanser Verlag setzt mit dem Bloggertag eine Art Benchmark (zumindest in dem Genre anspruchsvolle Belletristik) und wie es Sophie von literaturen so schön in ihrem Beitrag beschreibt: Er ist an einer Kommunikation auf Augenhöhe interessiert.

Wir als Blogger waren dankbar für diese Art von Austausch, der beide Seiten inspiriert und weiter im Umgang miteinander professionalisiert. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie viel Zeit die Konzeption und Organisation einer solchen Veranstaltung kostet. Von daher noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön an Frauke Vollmer, Sabine Lohmüller und das komplette Hanser-Team.

Hanser Bloggertag
Hanser-Mitarbeiter und Blogger vor dem Verlagshaus

Weitere Eindrücke und Impressionen findet ihr bei Sophie von Literaturen, Mara von Buzzaldrins Bücher, Mareike aus dem Bücherwurmloch und Sonja von lustzulesen. Des Weiteren waren Pop-Polit Gérard, Petra von Die Liebe zu den Büchern, Tilman von 54books, Nadine von Literatur und Feuilleton, Dorota die Bibliophilin sowie Caterina von SchöneSeiten nach München gereist.

6 Kommentare

  1. Danke für den Beitrag – da fühle ich mich als Bloggerin gleich etwas mehr wahrgenommen ;-) Und die Perspektiven, wie Verlage und Blogs miteinander umgehen (werden), ist wirklich interessant.

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  2. Ein sehr schöner, reflektierter Beitrag. Ich bin auch sehr gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen Bloggern und Verlagen entwickelt. Dieses Treffen war definitiv ein interessantes Novum mit Signalwirkung.
    Spannend!
    Liebe Grüße
    Mareike

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    1. Liebe Mareike,

      ja ich denke schon, dass es Signalwirkung hat. Aber andere Verlage sind auch auf Zack und so wird sicher ganz bald ähnliches in der Bloggerszene zu lesen geben.
      Wir können also gespannt sein.

      Liebe Grüße
      Vera

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  3. Danke fürs Teilhaben lassen an diesem schönen Ereignis! Es klingt wirklich nach einer besonderen Erfahrung und gerade der Hanser Verlag hat v.a. durch Jo Lendle einfach viel Charisma.

    Herzliche Grüße aus DA,
    Mina

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