Es fehlte dieser ganz spezielle Buchtitel, der mich wach rüttelte und mich zwang, endlich wieder Zeit für meinen Blog zu finden. Ich loggte mich ein und setzte mich an einen neuen Beitrag!

Das Buch von Nicole Seifert umfasst nur knapp 200 Seiten aber diese haben es in sich. Sie zeigt mit ihrem Buch die jahrhundertelange Abwertung von Schriftstellerinnen und deren Literatur auf. Der ungleichen Behandlung von Autorinnen gegenüber Autoren ist man sich als Vielleserin auf jeden Fall bewusst. Auf verschiedenen Ebenen erkennt man das Ungleichgewicht, sei es rückblickend die Schullektüre im Deutsch-Leistungskurs, die Bücher im eigenen Bücherregal, die besprochene Literatur im Feuilleton. Die Benachteiligung ist offentsichtlich, die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, jedoch nicht immer.
Mit dem Buch „FRAUENLITERATUR. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ bekomme ich erstmals einen großen Überblick. Nicole Seifert nimmt dafür nicht nur den deutschen Sprachraum unter die Lupe, sie schaut auch immer wieder auf den englischen Sprachraum, der bei der Aufarbeitung und Neubewertung dieser Problematik schon wesentlich weiter ist.
Was mich sofort mit Seifert verbindet: Ich habe die gleichen Erfahrungen hinsichtlich der Lesebiografie gemacht. Im Deutsch-Leistungskurs und im Germanistikstudium dominierten die Schriftsteller. Selbst meine Magisterarbeit über die mexikanische Schriftstellerin Elena Garro, die als Autorin und Ehefrau von Octavio Paz genau die beschriebene Abwertung erfuhr, hat mich nicht aufhorchen lassen. Ich nahm es damals (vor über 15 Jahren) als punktuelles aber nicht strukturelles Problem war. Auf die Frage, wer meine bevorzugten Autoren wären, antwortete ich jahrelang: Friedrich Dürrenmatt, Hermann Hesse, Christoph Hein etc. Alles Männer und als ich dann endlich an den Punkt kam und mich über das Fehlen von Schriftstellerinnen wunderte, konnte ich nicht spontan einige Namen nennen, sondern musste erstmal überlegen. Das ist bitter.
Schicht für Schicht arbeitet sich Seifert durch die Literaturgeschichte und erklärt, warum die Literaturwelt so lang von Männer domniert wurde und zeigt, wie und warum auch heute noch junge, erfolgreiche Autorinnen abgewertet werden – und das mit System.
Seifert ist selbst schon mehrere Jahrzehnte in der Buchbranche tätig und mir aufgrund ihres Blogs www.nachtundtagblog.de bekannt. Aber auch wegen ihrer Aktionen auf Twitter. Als der Süddeutsche Verlag 2019 einen Kanon „Zehn Romane der Weltliteratur“ nur mit Autoren ankündigte, suchte sie zusammen mit Lisa Brammertz auf Twitter und Instagram Vorschläge für einen #Autorinnenschuber. Auch ich nahm damals auf Twitter daran teil.
glasperlenspiel13 hat Nachholbedarf
Nach der Lektüre der 200 Seiten schaute ich mich intensiv um: auf meinem Blog und in den Bücherregalen. Das Fazit war düster. Ich habe in den zehn Jahren, in denen der Blog jetzt schon besteht, viel mehr Bücher von Männern besprochen. Ich selbst habe vor Jahren an einem Kanon mitgeschrieben. Damals sollte ich mein Lieblingsbuch vorstellen. Es wurde „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow und wenn ich dieses nicht genommen hätte, dann wäre es „Das Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse geworden.
Wieder zwei Männer! Wieso fiel die Wahl – einer Germanistin und Romanistin, einer Vielleserin, einer Literaturbloggerin – nicht auf eine Autorin ?? Seifert liefert in ihrem Buch die Gründe.
In den vergangenen Jahren hab ich mein Lese- und Kaufverhalten verstärkt reflektiert und ganz bewusst vorwiegend Beiträge zu Schriftstellerinnen veröffentlicht. Beim Bücherfrühstück mit dem Aviva Verlag konnte ich das wunderbare Programm des Verlages samt Verlegerin Britta Jürgs kennenlernen. Mit ihrem Verlag möchte sie „den literarischen Kanon um weibliche Stimmen erweitern und bislang vernachlässigte Aspekte und Schätze des kulturellen Erbes in den Blick rücken“.
Auf meiner letzten Leipziger Buchmesse begab ich mich auf die Suche nach weiblichen Stimmen aus Lateinamerka und fand ein paar literarische Schätze.
Und wer sich für Autorinnen aus Afrika, Asien, Lateinamerika oder der Arabischen Welt interessiert, muss sich näher mit dem LiBeraturpreis beschäftigen. Dieser Preis prämiert jährlich ein Buch einer Schriftstellerin aus diesen Regionen. Zum 30. Jubiläum des Preises veranstaltete LITPROM unter dem Motto „Karthografie des Weiblichen“ internationale Literaturtage mit vielen Preisträgerinnen der vergangenen Jahre .
2021 habe ich überproportional mehr Bücher von Autorinnen gelesen und ich werde daran arbeiten, dass es auch auf diesem Blog zukünftig noch mehr Besprechungen von Schriftstellerinnen gibt. Mit Nicole Seiferts Buch ist ein weiterer Schritt getan.

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