Matthias Brandt: Blackbird

In Blackbird beschreibt Matthias Brandt das Aufwachsen in den Siebzigerjahren in Westdeutschland. Er schildert die vermeintlich heile Welt von Motte und Bogi, seit jeher beste Freunde, die an der harten Realität scheitert und alles infrage stellt, wovon sie geträumt hatten.

Morten, von allen Motte genannt, steckt mit seinen 15 Jahren mitten in der Pubertät. Und die ist bei ihm besonders unschön: Er muss miterleben, wie sich seine Eltern trennen. Noch dazu wird Bogi, sein bester Freund, von einer schrecklichen Krankheit erwischt: Ein schweres Krebsleiden fesselt ihn ans Bett und der Ausgang ist ungewiss.


©büchergilde

Motte ist ein typischer Jugendlicher seiner Zeit, einer, der zu gern das Rauchen lernen möchte und dafür die Mentholzigaretten seiner Mutter klaut und Zuflucht in der Musik von David Bowie sucht. Die Erfahrungen, die zum Älterwerden gehören, wie etwa Alkoholkonsum und Kiffen, kann er mit Bogi nicht mehr teilen– dessen Krankheit schlägt eine tiefe Schneise in ihr beider Leben. Es gibt ein Davor und ein Danach. Die Begegnungen mit seinem besten Freund im Krankenhaus werden zur Qual für Motte, der mit Bogis Krankheit überfordert ist. Seine Strategie ist ständige Ablenkung. Und so lässt er Bogi allein.

Für Motte ist der steinige Weg des Erwachsenenwerdens nicht nur wegen Bogis Krankheit besonders schwer, sondern auch wegen der Trennung seiner Eltern, über die er lieber nicht spricht. Für ihn ist der Auszug des Vaters auf jeden Fall angenehmer als das ständige Gestreite seiner Eltern. Zum Glück gibt es auch einen Lichtblick in Mottes Leben: die schöne Jacqueline Schmiedbach vom Nachbargymnasium, in die er sich über beide Ohren verliebt.

Matthias Brandt findet nach dem hochgelobten Erzählband Raumpatrouille in seinem Romandebüt Blackbird mühelos den richtigen Ton. Der Autor lässt seine Leserinnen und Leser ganz nah ran. Man fühlt sich, nicht zuletzt durch Mottes plötzliche Verliebtheit, zurückversetzt in die eigene Pubertät, die geprägt war von Unsicherheit und Selbstzweifeln. Der gleichnamige Song von den Beatles, Lieblingssong von Bogi, ist zugleich wegweisend für die Entwicklung Mottes:

„Take these broken wings and learn to fly/All your life/You were only waiting for this moment to arise.“

Gekonnt gelingt es Matthias Brandt, die zum Teil wirren und komplexen Gedankengänge eines Pubertierenden authentisch zu vermitteln. Er nimmt seine Leser auf eine Reise mit, die sowohl saukomische, leidvolle wie auch schöne Momente hat – sie spiegelt eben das pralle Leben eines jungen Menschen wider. Mit lachendem und weinendem Auge verfolgt man den Reifungsprozess Mottes und erlebt unmittelbar den Übergang von Kindheit zum Erwachsensein. Ein herrliches Lesevergnügen, das sich, nicht zuletzt auch aufgrund seiner ernsten Töne, abhebt von der großen Auswahl an Coming-of-Age-Büchern.


Matthias Brandt: Blackbird
Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 2019
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019

3 Kommentare

    1. Lieber Bernd,

      DANKESCHÖN! Das Verückte ist ja, dass ich das Buch nicht „freiwillig“ gelesen hätte. Aber Impulse von außen (bspw. Lesekreise) sind immer wieder gut, um sein eigenes Leseterrain zu verlassen. So erlebt man durchaus auch literarische Überaschungen.

      Alle Gute auch für DICH!

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      1. Liebe Vera,
        abgesehen von dem interessanten Buch ist dies nun auch ein Thema: freiwillig, angeregt und angeleitet oder gemeinsam zu lesen. Selber mag ich auch gerne vorlesen und vorgelesen bekommen. In meinen Zirkeln gefällt mir, wenn der Text eine Stimme bekommt.
        Schöne Grüße
        Bernd

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