Überraschung! Mit einer Biografie von Basketballspieler Dirk Nowitzki rechnet wahrscheinlich keiner meiner LeserInnen. Das Buch von Journalist und Autor Thomas Pletzinger wurde im Rahmen der Frankfurter Buchmesse im Schauspielhaus Frankfurt vorgestellt. Das Literaturhaus Frankfurt hatte geladen und der Andrang war enorm. Als Teenager habe ich gern die NBA (National Basketball Association, die Basketball-Profiliga in Nordamerika) am Fernseher verfolgt und natürlich war und ist mir Dirk Nowitzki sehr wohl bekannt.
Nur zu Einordnung für diejenigen, die mit dem Namen nicht ganz so viel anfangen können. Dirk Nowitzki ist einer der erfolgreichsten Basketballspieler und er stellte in seiner Laufbahn einige Rekorde auf. So spielte er 21 Jahre lang mit der Nummer 41 bei ein und demselben Verein, den Dallas Mavericks. In diesem Jahr verkündigte er seinen Rücktritt und verabschiedete sich aus dem Profi-Basketball. Der richtige Zeitpunkt für eine Biografie, die noch einmal zurückschaut und seine sportlichen Erfolge und Misserfolge Revue passieren lässt: THE GREAT NOWITZKI

Matthias Kalle, Redakteur des ZEIT-Magazins, moderierte den Abend und stellte zunächst Autor Thomas Pletzinger vor, der den Epilog seines Buches vor las. Dann endlich erschien the great Nowitzki himself. Ich habe in meinem Leben schon so einige Lesungen besucht aber so eine Stimmung inklusive Standing Ovations kommt höchst selten vor. Wie sagt man so schön, der Saal bebte. Der erste Kommentar von Nowitzki in Richtung Pletzinger: „Du hast das ganze Buch gelesen … das hat sich ja ewig gezogen“. Das Publikum lachte und sofort war klar: Das wird ein höchst unterhaltsamer Abend.
Getroffen haben sich Nowitzki und Pletzinger das erste Mal in der Teeküche der Mavericks. Monate später gab es ein weiteres Treffen der beiden in Würzburg und daraufhin folgten sieben Jahren, in denen sich der Autor regelmäßig mit dem Ausnahmetalent traf. Spätestens im dritten Jahr sei es dann Nowitzki aufgefallen, dass Pletzinger wohl nicht mehr so schnell weggehen würde. Anfangs sei er noch sehr skeptisch gegenüber dem Buchprojekt gewesen, erklärt Nowitzki. Zu dem damaligen Zeitpunkt war gerade der Dokumentarfilm „Der perfekte Wurf“ erschienen und er hatte eigentlich die Nase voll und wollte kein weiteres Projekt beginnen. Vor allem aber wollte er nicht schon wieder jemanden so nah an sich heranlassen. „Aber der Thomas ist ja ein lieber Kerl.“ rundete Nowitzki seine Perspektive auf den Anfang des Buchprojektes ab.
Es wurde viel gelacht an diesem Abend. Meine Nachbarn – links wie rechts – sind die wahren Fans, die an seinen Lippen kleben, die jedes Wort einsaugen und es wohl noch immer nicht fassen können, dass sie ihr Idol sehen können, dass an diesem Abend ein kleiner, großer Traum in Erfüllung geht. Sie entdecken sofort Nowitzkis persönlichen Trainer und Mentor Holger Geschwindner im Publikum und nicken kenntnisreich bei Namen und Ereignissen aus der Basketballszene.
Nowitzki selbst gefalle das Buch sehr, denn Pletzinger sei ein guter Erzähler und eben nicht nur Sportjournalist. Er könne Bilder erschaffen und einen mit seinen atmosphärischen Beschreibungen fesseln. Auf die Frage Kalles welche Momente die schönsten für Pletzinger gewesen wären, war sich dieser sicher: der 30.000 Punkt von Nowitzki war schon sehr besonders. Aber auch viele persönliche Momente und fügte hinzu, dass die vergangenen Jahre eine wahre Fundgrube an wunderbaren Ereignissen gewesen seien.
Das Gespräch auf der Bühne ist entspannt und gelöst. Man spürt das emotionale Band, das Nowitzki und Pletzinger verbindet. Sie witzeln rum, verteilen Seitenhiebe und eigentlich könnte man den beiden ewig zuhören, wie sie Anekdote um Anekdote auspacken, jeweils aus der Perspektive von Pletzinger und dann mit einigen Korrekturen aus der Sicht von Nowitzki. Da vorn sitzen nicht Autor und der Beschriebene, sondern Freunde.
„Seine Siege waren auch meine Siege“
Coach Holger Geschwindner begleitet Nowitzki über die vielen Jahren und er habe ihn nicht nur sportlich zu Höchstleistungen bringen, sondern ihn auch persönlich leiten wollen. Und so bekam Nowitzki jedes Jahr zu Weihnachten ein Buch. Nowitzkis Kommentar an dem Abend: „Wie einfallsreich!“ Aber dadurch habe er sogar einen Buchclub bei den Mavericks gegründet. Den Ersten wohl gemerkt!
Pletzinger führte dann auch länger aus, was ihm eigentlich Dirk Nowitzki bedeutet: „Seine Siege waren auch meine Siege. Er stand immer stellvertretend für die eigene frühzeitig beendete Sportkarriere. Nowitzki hat den Traum von vielen anderen gelebt und erfüllt. Deshalb ist er eine so große und wichtige Identifikationsfigur.“ Nowitzki freut dies natürlich aber es war ja nie seine Intension. Er hatte seinen eigenen Traum und wusste nicht wirklich, was auf ihn zukam, als er in die USA ging. Er habe einfach immer alles gegeben und sich rein- und durchgebissen. Er erinnere sich, dass er den ersten Sommer nicht einen einzigen Tag frei hatte und die folgenden Jahre höchstens ein bis zwei Wochen Urlaub nahm. Auf die Frage, ob er alles aus sich herausgeholt hat, entgegnete Nowitzki: „Ich hab´s probiert!“ Mental hätte er sicher noch mehr rausholen können, körperlich aber nicht. Die Zeit war jetzt einfach reif für einen Abgang.
Jetzt sei er froh, dass er das tägliche Training nie mehr machen müssen. Es hinge ihm nach 25 Jahren zum Hals raus. Momentan, sechs Monate nach Beendigung seiner außerordentlichen Karriere, fehle ihm nichts. Er verbringe die Zeit mit Reisen, mit der Familie und er hoffe, dass er nicht alle Spiele der Dallas Mavericks schauen wird. Natürlich interessiere ihn wie das Team spiele aber er versuche auch Abstand zu gewinnen – vom Sport und von den Mavericks. Seit seinem letzten Spiel war er nicht ein einziges Mal in der Halle.
Pletzinger las einen weiteren Abschnitt. Der Moment als die Dallas Mavericks 2011 erstmals das Finale der NBA gewannen. Kalle daraufhin: „Jetzt kommt mein Lanz-Moment: Wie fühlt sich das an? Für Nowitzki sei es ein Glücksgefühl gewesen. Wenn man so lange für etwas gearbeitet hat, so viele Rückschläge eingesteckt hat, die ganze Familie, das Team und die Coaches dich immer unterstützt haben. Er habe in seiner Sportkarriere auf so vieles verzichtet, kein Alkohol getrunken, seine Ernährung komplett umgestellt. Das Schwerste sei aber der Verzicht auf Süßes gewesen. Er esse doch so gern Süßes.
Pletzinger liest an diesem Abend drei Stellen aus dem über 500 Seiten starken Buch und schnell wird klar, hier versteht jemand sein Handwerk. Seine Sprache reißt mit und fesselt. Das ist kein einfaches Sachbuch, keine X-te Biografie eines Sportlers. Das ist eine große Reportage voller Emotion und auch Feingefühl. Pletzinger sagt selbst, dass er die journalistische Distanz aufgegeben hat. Die Konsequenz für die LeserInnen: Wir dürfen uns auf viele sportliche und private Momente mit Dirk Nowitzki freuen und ganz nebenbei gute Literatur genießen!
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Thomas Pletzinger: The Great Nowitzki
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019