Zurück zum Wesentlichen. Unsere Heldin Señorita Prim bewirbt sich auf eine außergewöhnliche Stellenanzeige:
Ihr einziges Problem: Sie hat Unmengen an akademischen Titeln. Nur durch eine glückliche Fügung erhält sie doch noch die Stelle, muss aber bald erkennen, dass das Leben in San Ireneo de Arnois so ganz anders ist als das bisher bekannte. Ihr Arbeitgeber, der im Roman nur „der Mann im Armsessel“ genannt wird, lebt seit vielen Jahren in einer alten Villa und sorgt sich seit dem Tod seiner Schwester um vier Neffen und Nichten, die er, als Liebhaber alter Sprachen folgendermaßen nennt: Tesseris, Deka, Eksi und Septimus. Señorita Prim hat zunächst starke Zweifel an den pädagogischen Fähigkeiten des Onkels. Grund dafür sind Wortwechsel mit den Kindern wie dieser:
„Aber Tesseris, die Geschichte der Erlösung ist doch kein Märchen im eigentlichen Sinne. Märchen sind Geschichten voller Phantasie und Abenteuer, sie sollten die Menschen unterhalten. Sie sind nicht in einer bestimmten Zeit angesiedelt und erzählen niemals von Personen oder Orten, die es wirklich gibt.“
„Ja, das wissen wir“, sagte das Mädchen. „Wir wissen, dass das kein normales Märchen ist. Die Geschichte der Erlösung ist ein wahres Märchen.“ Die Bibliothekarin lehnt sich nachdenklich auf der alten gusseisernen Bank zurück. „Du willst sagen, dass sie Ähnlichkeit mit einem Märchen hat, ist es das?“, fragte sie irritiert. „Nein, natürlich nicht. Die Geschichte der Erlösung ähnelt keinem Märchen, Señorita Prim, sondern die Märchen und Legenden ähneln der Geschichte der Erlösung. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Es ist etwa so, wie wenn man einen Baum abmalt. Der Baum sieht nicht aus wie die Zeichnung, sondern die Zeichnung ähnelt ein wenig – nur ein wenig – dem realen Baum.“
San Ireneo de Arnois ist vielmehr Kolonie als Stadt und „der Mann im Armsessel“ hat sie einst mitbegründet aus Überzeugung, dass das Leben entschleunigt werden kann/muss, dass man sich wieder auf alte Lehren besinnen sollte. Die Einwohner, eine internationale bunte Mischung, sind den Wirren und der Unruhe der modernen Welt entflohen, leben autark von ihrer Umwelt und schätzen die kleinen Dinge des Lebens. So wird jeder Gast immer mit einer Tasse Tee oder Schokolade empfangen, ein Stück Kuchen steht jederzeit griffbereit aber das Allerwichtigste ist: Der Gastgeber hat Zeit für die Sorgen und Nöte seines Gastes, für die Freuden und glücklichen Momente. Die Kinder werden nicht an einer gewöhnlichen Schule unterrichtet, sondern erfahren beispielsweise biologische Zusammenhänge beim Arzt. Literaturkenntnisse und alte Sprachen erwerben sie beim „Mann im Armsessel“.
Überhaupt die Literatur. Sie spielt im Roman eine sehr wichtige Rolle. Natalia Sanmartin Fenollera bezieht sich immer wieder auf alte Klassiker – von der Antike bis zur Gegenwart. Gleich zu Beginn erlebt Señorita Prim, wie der „Mann im Armsessel“ eine quirlige Kinderschar nach Vergil abfragt. Neben Jane Austen, Edgar Allen Poe, Dostojewski und Balzac taucht auch der Heilige Hieronymus und Augustinus auf. Die Liste ließe sich ewig fortführen.
Relativ schnell ist auch die zarte Verbundenheit zwischen Señorita Prim und ihrem neuen Arbeitgeber zu spüren, die Funken sprühen und ich erfreue mich an intelligenten und teilweise sehr witzigen Dialogen. Witzig auch aufgrund von Señorita Prims rhetorischen „Niederlagen„, über die sie sich teilweise sehr ärgert. Das ganze Buch ist mit vielen Dialogen szenisch angelegt – das Leben als eine kontinuierliche Debatte. Doch Señorita Prim ist längst nicht die perfekte moderne Frau, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Schon im „Vorstellungsgespräch“ spricht sie von einem Zufluchtsort, den sie für sich sucht. Denn auch sie ist von Zweifeln geplagt und sucht nach der Schönheit des Lebens, nach dem letzten Teil im großen Puzzle Leben. LESEN und Señorita Prim in eine Welt folgen, in der wir wohl alle selbst gern leben möchten. Eine sehr schön gestaltete Website zum Buch findet ihr hier.
Das Buch ist einfach toll – ich sehe bei dir das Cover und bleibe dran hängen und erinnere mich an dieses wundervolle Lesegefühl. Falls du in meinen Worten tauchen magst, auf Literatwo.de. Ich habe sehr gerne zwischen deinen getaucht und kann nur sagen: LESEN!
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Liebe Bianca,
vielen Dank für deinen Besuch. Ich hab auch gleich mal bei dir nachgeschaut und deine Eindrücke gelesen. Bin gespannt, ob ein weiterer Roman von Natalia Sanmartin Fenollera folgen wird.
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Dein Lesetipp (eine Perle) wandert gleich mal auf meine Wunschliste. Danke für den Hinweis. Viele Grüße
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Liebe Constanze,
sehr gern geschehen. Es ist ein gutes, unterhaltsames Buch. Vielleicht etwas für die Feiertage ;). Liebe Grüße in die Heimat
Vera
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