Der Open House Verlag in Leipzig öffnet seine Türen

Beethovenstraße1Im geschichtsträchtigen Musikviertel meiner Heimatstadt hat sich ein Verlag niedergelassen. Ein Grund mehr mal wieder zurückzukehren und den seit 2012 existierenden Open House Verlag unter Leitung von Christiane Lang und Rainer Höltschl zu besuchen.

Beide, sie Niedersächsin und er Österreicher, hatten sich beim Studium in Freiburg kennengelernt. Gemeinsam beschlossen sie einen Verlag in Leipzig zu gründen. Christiane Lang schrieb damals ihre Magisterarbeit passenderweise zum Thema „Chancen und Möglichkeiten von Kleinverlagen“. Beide sind literaturverrückt, beide schreiben und der Frust über schlampige Lektorate hat sie selbst zu Lektoren gemacht.

In der Beethovenstraße 31 betrete ich einen wunderschönen Altbau, der sich in unmittelbarer Nähe zur HGB – Hochschule für Grafik und Buchkunst und dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig befindet. Der Verlagssitz ist in einer großzügigen Altbauwohnung untergebracht. Die hohen Decken, die geräumigen, geschmackvoll eingerichteten Zimmer und die enorme Bücherwand, die gefüllt ist mit privaten und beruflichen Schätzen, erinnern mich sofort an die Frankfurter Verlagsanstalt in Frankfurt.

Laut Höltschl hat es ein Jahr gedauert den Verlag aufzubauen, Strukturen zu schaffen, junge qualitativ gute Autoren zu finden und zu gewinnen. Der Verlag startete mit dem Herbstprogramm 2012 in Frankfurt.

Verlagsteam des Open House Verlages
Verlagsteam des Open House Verlages

Seit dem hat sich einiges getan. So wurde unter anderem das Verlagsteam um Annina Vettermann (Design, Kommunikation) und Vicky Graz (Lektorat, Presse) aufgestockt und die Buchgestaltung weiter entwickelt. Bevorzugte man zunächst hochwertige Broschur, stieg man später auf ein handliches Hardcover im Format 20x12cm um. Für das Layout der Buchcover sind  Christiane Lang und Annina Vettermann verantwortlich.

Unter den Verlagsautoren befinden sich zum Teil preisgekrönte Schriftsteller wie der Norweger chilenischer Abstammung Pedro Carmona-Alvarez. Des Weiteren die New Yorkerin Paula Bomer, über dessen neustes Buch ›BABY‹ Jonathan Franzen urteilte: „›BABY‹ fällt den Leser an wie ein tollwütiger Hund – und man ist dankbar dafür. Diese Art zu schreiben gehört zum Rauesten und Eindringlichsten, was mir je begegnet ist.“ Die deutsche Autorin Babet Mader fiel mir vor allem durch ihr vielfältiges Repertoire auf. So veröffentlichte sie bereits zwei Romane bei Open House und führt für ihr aktuelles Projekt „Briefe an Maxie“ ein eigenen Blog. „Briefe an Maxie ist der Beginn einer Reihe von Protokollen, die uns von Jahrhundert zu Jahrhundert etwas über uns erzählen sollen.“ Sie bezieht sich dabei auf „Guten Morgen, du Schöne“ von Maxie Wander aus dem Jahr 1977. Ihr Ziel ist es die Frauen aus dem genannten Buch zu suchen und zu finden. Ob das möglich ist, weiß sie nicht. Von ihrem Weg auf der Suche möchte sie auf dem genannten Blog berichten.

Parallel zum belletristischen Programm gibt es zwei weitere verlagseigene Reihen. Die Klassikerreihe backup möchte vergessene, verdrängte oder nie gewürdigte Größen und Außenseiter der Literatur in den Vordergrund stellen. Band eins beschäftigt sich mit „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann. Es finden sich neben dem Originaltext Kommentare, eine Kurzbiografie und Artikel mit aktuellen Bezug aus den Bereichen Kultur, Technik und Kunst.

Für die Sachbuchreihe seismograph war es für die beiden Verleger zunächst schwierig die entsprechenden kompetenten Autoren zu finden. Der erste Band „Intercorporeal Splits – Künstlerische Forschung zur Medialität von Stimme. Haut. Rhythmus.“ untersucht in drei Skype-Performances zwischen Ägypten, Indien und Deutschland – durch Zusammenarbeit von Tänzern, Medienkünstlern, Soziologen, Psychosomatikern, Musikern und Philosophen – wie sich unsere Art miteinander in Beziehung zu treten durch digitale Medien verändert.

Die Frage nach einer Abgrenzung zu anderen Indie-Verlagen sei falsch gedacht bzw. der falsche Ansatz gibt Christiane Lang auf meine Frage hin zu bedenken. Vielmehr stehe die Vernetzung mit anderen Verlagen im Vordergrund. Gemeinsame Projekte mit dem Verbrecher Verlag in Berlin oder orange press in Freiburg seien ihnen wichtig. In die Nische komme von ganz allein. Es dauere aber fünf bis zehn Jahre um sich zu etablieren und einen Ruf zu erarbeiten. Dabei sei die  Kommunikation eine ganz wichtige Komponente.

Nicola Nürnberger_Berlin wird FestlandNach Leipzig hatten sie gefunden, da ihnen die Nähe zur HGB und zum Literaturinstitut wichtig war. Beide fühlen sich in Leipzig gut aufgehoben und von der Stadt angenommen. Höltschl spüre, als zugezogener Österreicher, aber sehr wohl noch den Ost-West-Konflikt. Dieses Thema zieht sich auch durch das Verlagsprogramm und am deutlichsten ist es wohl bei Nicola Nürnberger zu spüren, die gerade ihren neuesten Roman „Berlin wird Festland“ veröffentlich hat. In diesem thematisiert sie die Wende vor 25 Jahren und schlüpft in die Perspektive einer jungen Westdeutschen vom Lande.

Und dann kommt man im Gespräch über Büchern und Ost-West-Konflikt zu angrenzenden Themen und verliert sich. Bzgl. Sehnsuchtsort Ostsee für die Ostdeutschen teilen wir noch die gleichen Ansichten aber spätestens beim Leipziger Fußball gehen dann doch die Meinungen auseinander: RB versus Lok Leipzig. Als Lokalpatriotin und mit eingefleischten Fans in der Familie beschenkt, versuche ich auch ohne Fußballkenntnisse Lok die Stange zu halten. Und so endet ein wunderbarer Nachmittag beim Open House Verlag, der nicht nur programmatisch jederzeit seine Türen öffnet. Ein ganz herzliches Dankeschön an das Verlagsteam für die Wahl ihres Verlagssitzes, das anregende Gespräch und die wunderbaren literarischen Perlen. In einem Kurzinterview auf We Read Indie gewährt Rainer Höltschl nochmals Einblicke für alle Interessierten anspruchsvoller Literatur.

6 Kommentare

  1. Liebe Vera,
    eine tolle Vorstellung eines Verlages, den ich natürlich! noch nicht kannte. Werde gleich mal vorbeisurfen und stöbern. Und die Verlagsräumömlichkeiten machen mich ziemlich neidisch. In so einer Umgebung zu arbeiten, muss einfach klasse sein.Vielen Dank für Deine Einblicke.
    Viele Grüße, Claudia

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    1. Liebe Claudia,

      bis vor einem halben Jahr war mir der Verlag auch noch völlig unbekannt. Aber ich hatte mich im Vorfeld mit der überschaubaren Verlagswelt in Leipzig auseinandergesetzt und ihn einfach angeschrieben. Es hat sich gelohnt und ich gebe Dir völlig Recht: solche Arbeitsräume hätt ich auch ganz gern.

      Ich bin mir sicher, du findest das eine oder andere Buch.
      Viele Grüße, Vera

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  2. Auf alle Fälle haben die Drei vom Open House ein Händchen für gut gestaltete, interessante Buchcover. Die gefallen mir alle ausnehmend gut. Mit dem gleichen Blick sollten sie auch mal an ihr Bücherregal rangehen.

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    1. Ja, die Buchcover finde ich auch klasse. Mal was anderes. Ich weiß gar nicht, was du gegen die Regale hast. Die sind doch perfekt: groß, hoch und voll!! Besser geht es nicht.

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