LongListLesen 2014|Michael Ziegelwagner: Der aufblasbare Kaiser

Die LongList ist natürlich schon längst Geschichte, die ShortList wurde ebenfalls fleißig diskutiert aber ich möchte meinen sieben Schützlingen im Rahmen von LongListLesen 2014 doch noch ihren Auftritt schenken. Fangen wir mit dem Kaiser an. Der alte Herr hat es tatsächlich auf die LongList 2014 geschafft. Michael Ziegelwagner war mir bisher gänzlich unbekannt, obwohl er mit »Der aufblasbare Kaiser« bereits sein zweites Buch präsentiert. Als bekannter Satiriker (u.a. für Titanic) debütierte er 2011 mit »Café Anschluß«, eine witzige Abrechnung mit Deutschland und Österreich.

Vera Beacher, 25jährig und ein wenig genervt und gelangweilt vom Leben, hat beunruhigende Gedankengänge.

Annahme 3. Unser wichtigsten Erfahrungen sollten wir am Anfang unseres Lebens machen. Wir werden sie noch haben, wenn die meisten Menschen, die sie geteilt haben, weggestorben sind. Sie gehören uns dann exklusiv.

Annahme 3a. Darum sollte möglichst etwas Absterbendes in unser Leben gerettet werden, das uns möglichst früh exklusiv gehört.

Um eben etwas mit hinüber zunehmen in ihr Leben schließt sie sich dem Legitimistischen Club an, auf den sie rein zufällig gestoßen ist. Einem greisen Herrenclub mit zwei jüngeren Ausnahmen, der Otto von Habsburg als den wahren Herren der Hofburg sieht.

Das war der Mann, der niemals Kaiser geworden war. Das war der Mann, der ihrem 2011 einen Hintergrund hätte geben können, wenn er auf den Thron gekommen wäre; der, wie sein Urgroßenkel Franz Joseph, seit seinem achtzehnten Geburtstag Kaiser hätte sein können/der das Glück hatte, achtundneunzig Jahre lang zu leben/der ihre Gegenwart durch die Möglichkeit einer achtzigjährigen Regentschaft mit dem Jahr 1930 hätte verbinden können/der das Absterbende hätte sein können, das sie aus dem Anfang ihres Lebens hinüber rettete: Otto I. von Österreich.

Beunruhigend finde es ich es, dass die  Idee, der sie sich anschließt so austauschbar erscheint. Was, wenn sie einen alten Naziclub entdeckt hätte, der daran glaubt, dass Hitler noch immer lebt und in diesem den einzigen Herrscher sieht? Das unterstellt ihr etwas später sogar ein Hund! Vera hat aber Glück und landet nur bei ein paar verstaubten Monarchisten. Was heißt verstaubt? Durch ihr Erscheinen mobilisiert sich plötzlich die Gruppe, wird aktiv und geht raus auf die Straße, um ihre Botschaft zu verkünden. Vera findet in der illustren Männerriege bewunderte Blicke, Zuneigung und wegen ihr droht am Ende sogar der Club zu zerbrechen.

Atalante resümiert auf Atalantes Historien: Bei aller Satire auf die Heu­ti­gen und Ewig­gest­ri­gen zeigt Zie­gel­wag­ner auf unauf­dring­li­che Weise auch etwas ande­res, die poli­ti­sche und per­sön­li­che Ent­wick­lung einer jun­gen Frau.

Eine Frau, die keine Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen möchte. Die sich täglich mit einem von ihr getauften Trottel, ein junger Arbeitskollege, herumplagen muss. Zusätzlich soll sie sich als Trauzeugin ihrer besten Freundin mit hysterischen jungen Frauen um den Junggesellinnenabschied kümmern. Verständlich, dass Vera ein bisschen Aufregung in ihrem Leben nur recht kommt. Über das Warum klärt uns wieder einmal ein Hund auf:

… ich glaube, sie will etwas für sich alleine haben. Die Vergangenheit, das Gewesene, Abgestorbene als das vermeintlich einzige Nichtverfügbare in einer Welt kapitalistisch-massenindustriellen Überangebots … Ihr politische Ansicht ist monarchistisch, weil es originell ist, denn einfältige Ansichten erträgt sie nicht, selbst, wenn es ihre eigenen sind. Darum wählt sie sich eine ausgefallene, schwierig darzustellende, zu argumentierende …

Ich kann die verschiedenen Ansätze nachvollziehen aber warum es nun der grad Otto I. sein muss, bleibt mir ein Rätsel. Vielleicht wär mir das als Österreicherin viel klarer.

Günther Keil bloggt auf seiner Website: Michael Ziegelwagner hat eine höchst vergnügliche Humoreske über den Sinn und Unsinn von Monarchien und die Zumutungen des Alltags geschrieben. Eine rundum gelungene Satire mit Wiener Schmäh. Und der bis jetzt amüsanteste Roman des Jahres! 

Ja, amüsant, die Idee ist originell und der Dialekt oft ein Schmunzeln wert. Aber spätestens mit dem Auftritt der Queens wird’s mir zu bunt. Da gefällt mir sein Beitrag in der FAZ schon viel besser.

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Michael Ziegelwagner: Der aufblasbare Kaiser
Rowohlt Verlag, Berlin 2014

8 Kommentare

    1. Oh nein, ganz davon abraten will ich ja nun auch nicht. Es war nur nicht mein literarischer Höhepunkt dieses Jahres. Die Idee bleibt nach wie vor witzig und ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich noch sein Debüt lesen werde.

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    1. Liebe Atalantes,

      ich habe ja schon an mir gezweifelt, ob ich irgendwas falsch eingeordnet, den Dreh bzw. den Humor einfach nicht verstanden habe. Aber die Queen war einfach der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

      Mehr Monarchie mögen? Nach dem Buch nicht einfacher …

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      1. Liebe Vera, ich befürchte, Du hast auch mich nicht so ganz verstanden. Aber das darf ja durchaus mal vorkommen. ;)
        Es grüßt ironisch die jedwede Königshäuser gut entbehren könnende Atalante.

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        1. Liebe Atalante,
          manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht ;)). Meine Satiresynapsen waren einfach aufgrund der Materie überfordert. Am Ende neutralisiert sich alles wieder und stellen nüchtern fest: der Kaiser darf ruhig platzen …

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