„Bäume sind für mich immer die eindringlichsten Prediger gewesen.“
Als ich mit meinem Blog vor mehr als drei Jahren startete, hatte ich mir – wie jeder andere Blogger auch – einen Kopf gemacht bezüglich Namen, Design und inhaltlicher Ausrichtung. Und so entstand glasperlenspiel13. Eine Zusammensetzung aus dem Titel eines meiner Lieblingsbücher: Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse und meiner Lieblingszahl 13, in einer Farbe, die mich schon seit Jahren begleitet, die mich inspiriert und mir entspricht: Grün.
Ihr könnt Euch meine Verwunderung und Freude nicht vorstellen als ich plötzlich in den unendlichen Weiten ein Buch entdeckte, das so wunderbar zu glasperlenspiel13 passt, das es sofort hier vorgestellt werden muss. Die erfolgreichste Anthologie des Insel Verlags Hermann Hesse „Bäume“ [Insel-Bücherei Nr. 1393] erschien im April 2014 in einer wunderschönen Ausgabe. Farbige Fotografien von Dagmar Morath und Zeichnungen von Hermann Hesse vervollständigen seine Eindrücke und Gedanken zu diesen wichtigen wie mystischen Pflanzen. Laut dem Herausgeber Volker Michels waren Bäume für Hesse Heiligtümer, die als Gleichnisse für das Leben und als Symbole für die organische Organisation der Natur standen. Vor allem soll er in seinen frühen Erzählungen „den Zauber der Wälder seiner Kindheit im Schwarzwald, das Spiel des Lichtes im Gewölbe der Wipfel, den Knospenduft im Frühjahr oder die Säulenhallen der Tannen und später die üppigen Edelkastanienhänge seiner Tessiner Wahlheimat“ beschrieben haben. Eine kleine Kostprobe zu den Kastanienbäumen möchte ich Euch nicht vorenthalten.

„Jeder Ort, an dem wir eine Weile leben, gewinnt erst einige Zeit nach dem Abschiednehmen eine Form in unserem Gedächtnis und wird zu einem Bilde, das unveränderlich bleibt. Solange wir da sind und alles vor Augen haben, sehen wir noch das Zufällige und das Wesentliche fast gleich betont, erst später erlischt das Nebensächliche. Unsere Erinnerung behält nur das, was des Behaltens wert ist; wie könnten wir sonst ohne Angst und Schwindelgefühl auch nur ein Jahr unseres Lebens überschauen! […] Eine richtige Kastanienstadt habe ich schon lange nicht mehr gesehen; das fällt mir ein, so oft ich in der Nachbarschaft einmal hier oder dort eine einzelne schöne Roßkastanie stehen sehe, oder mit Bedauern, in manchen Dörfern die schäbigen kleinen Gartenwirtschaftskastanien wahrnehme. Wenn die wüssten, wie Kastanien aussehen können! Wie mächtig sie dastehen, wie üppig sie blühen, wie sie tief rauschen, wie satte volle Schatten sie werfen, wie sie im Sommer von ungeheurer Fülle schwellen und wie im Herbst ihr goldbraunes Laub so dick und weichmassig liegt!“
Hesse huldigt Linden, Buchen, Pfirsichbäume und Birken, geht auf die verschiedenen Lebensstadien und die wieder kehrenden Jahreszeiten ein. Spätestens bei seinen Zeichnungen spürt man diese sehr enge, emotionale Bindung:
„Und noch mehr verehre ich sie, wenn sie einzeln stehen. Sie sind wie Einsame. Nicht wie Einsiedler, welche aus irgendeiner Schwäche sich davongestohlen haben, sondern wie große, vereinsamte Menschen, wie Beethoven und Nietzsche. In ihren Wipfeln rauscht die Welt, ihre Wurzeln ruhen im Unendlichen; allein sie verlieren sich nicht darin, sondern erstreben mit aller Kraft ihres Lebens nur das eine: ihr eigens, in ihnen wohnendes Gesetz zu erfüllen, ihre eigene Gestalt auszubauen, sich selbst darzustellen. Nicht ist heiliger, nichts ist vorbildlicher als ein schöner, starker Baum.“
Volker Michels recherchierte nicht nur vielfältige Impressionen aus dem Prosawerk des Schriftstellers, sondern stellte auch Hesses einfühlsame Lyrik zum Thema in diesem schmalen Büchlein zusammen.
Baum im Herbst
Noch ringt verzweifelt mit den kalten
Oktobernächten um sein grünes Kleid
Mein Baum. Er liebt´s, ihm ist es leid,
Er trug es fröhliche Monde lang
Er möchte es gern behalten
Und wieder eine Nacht, und wieder
Ein rauer Tag. Der Baum wird matt
Und kämpft nicht mehr und gibt die Glieder
Gelöst dem fremden Willen hin,
Bis der ihn ganz bezwungen hat.
Nun aber lacht er golden rot
Und ruht im Blauen tief beglückt.
Da er sich müd dem Sterben bot,
hat ihn der Herbst, der milde Herbst
Zu neuer Herrlichkeit geschmückt.
Dieser Schatz bekommt einen Ehrenplatz in meiner Bibliothek. Zudem hat mich der Band mal wieder daran erinnert, wie ansehnlich und einzigartig die Ausgaben aus der Insel-Bücherei sind. Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine wunderschöne Geschenkidee für alle Hesse- und Natur-Liebhaber. Ein intensives Zusammenspiel von Bildern und Wörter in einer poetischen Sprache, die den Heiligtümern Hesses gerecht wird.
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Hermann Hesse „Bäume“
Insel-Bücherei Nr. 1393
Insel Verlag Berlin 2014
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Lieber flattersatz,
das Theme gibt keine weitere Antwort her. Muss ich halt einen neuen Kommentar eröffnen und hoffen, dass er dich erreicht. Zu Hesse bedarf es eigentlich viel mehr als die Kommentarfunktion. Sei es drum.
Kopflastig in der Hinsicht, weil sich eben alles in meinen Kopf in Bewegung gesetzt hat, die Gedanken losgelaufen sind und sich teilweise überschlagen haben. Schön, wie du es auf den Punkt bringst: „es geht doch nur darum, dem fluss, sprich, dem leben, zuzuhören… das ist alles… es geht nicht um das haben, sondern um das sein – und darum, daß jeder mensch das für sich selbst lernen und erkennen muss….“ Wenn es doch nur immer so einfach wäre. Wie oft wird diese Stimme, der wir doch zuhören sollen, übertönt durch den Lärm dieser Welt und dann verlieren wie die Verbindung zum Leben, zur eigenen, inneren Stimme und sehen ratlos in die Ferne mit einem Buch namens „Siddhartha“ in der Hand, nicht wissend was mit diesem anzufangen ist.
Nun muss ich gestehen, dass ich den „Steppenwolf“ vor einer Ewigkeit unbeendet weggelegt habe, weil er mich nicht wirklich berührt hat. Spannend wäre zu wissen, ob es sich bei mir genau andersherum verhält. Vielleicht sagt mir dieses Werk heute viel eher zu und spricht mit mir. Das wäre mein Experiment.
Zum Glasperlenspiel nur so viel. Ich habe es auch nicht noch einmal komplett gelesen aber auf deine Empfehlung hin habe ich mir das Stück mit Moritz Stoepel angeschaut und war einfach fasziniert diesen Roman auf der Bühne zu sehen. Plötzlich ergaben sich neue Perspektiven und einige Kapitel erhielten für mich eine neue Bedeutung. Vielleicht ist das ein Weg: Gelesenes auf einer anderen Ebene noch einmal neu zu rezipieren – über das Theater, über ein Hörbuch, vllt. ein Film. So kann nie die Literatur enttäuschen und im Zweifel erfährt man eine ungeheurer Bereicherung.
In diesem Sinne lieber Flattersatz grüßt die Bücherliebhaberin
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liebe bücherliebhaberin,
hab herzlichen dank für deine ausführliche antwort.
…..ja, der lärm der welt, der einen nicht zur ruhe kommen läßt. aber das insel-büchlein hat etwas im namen, das helfen kann: die insel. sich eine insel schaffen, ein raum, einen platz, der nur einem selbst gehört, ohne ablenkung und zu dem man gehen kann, ein paar minuten, ein viertelstündchen, sich setzen kann und einfach nur atmen. und zu sich selbst gehen. atmen ist leben. nicht über die welt im großen oder kleinen nachdenken, einfach nur dort sein und atmen und wahrnehmen, was einen umgibt: im garten die vögel, der wind in den blätter, das summen der insekten.. im haus vllt die tickende uhr, holz, das irgendwo arbeitet, menschen, deren stimmen man leise hört…
btw: stoepel erinnert sich an euch: „… .. wir hatten die Dame nach der Veranstaltung kennengelernt …“ es ist schön, daß ein hinweis, eine empfehlung, die man gibt, so ins schwarze trifft! ich habe mir den magister ludi übrigens mal aus dem regal geholt. immerhin, der erste schritt… ;-)
liebe grüße
fs
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… die INSEL … wie wahr. Ob das Anton Kippenberg damals schon im Sinn hatte? Deine Inselbeschreibung klingt gut und fühlt sich richtig an. Aber mit diesem Stichpunkt lässt sich auch der Kreis schließen. Die Literatur als Insel, als Rückzugsraum.
So, Herr Stoepel erinnert sich an uns. Nicht schwer ;-). Wir haben ihm in einem fort vorgeschwärmt wie einzigartig dieses Stück ist. Es sollte auf die großen Bühnen vor noch mehr Publikum.
Dir viel Freude mit Magister Ludi …
Herzlichst die Bücherliebhaberin
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liebe bücherliebhaberin,
oft sind es die zutaten und das anrichten, was ein ansonsten bekanntes gericht besonders munden lassen. ähnlich ist es mit büchern… ich habe vieles von hesse im regal stehen, es sind noch die alten suhrkampausgaben, den siddhartha in einer Ausgabe/Aufmachung aus dieser Zeit habe ich ja selbst mal besprochen. Dieses Insel-Geschenkbändchen über die Bäume scheint sowas zu sein: die lang bekantnen Gedichte neu arrangiert und eingerichtet.. ich freu mich drauf, habe es gerade bestellt (nicht bei ***, darauf lege ich wert…), deshalb noch mal ein danke für deinen tipp!
lg
fs
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Lieber flattersatz,
ich freue mich sehr, dass ich dich als Hesse-Freund für etwas Neues bzw. neu Zusammengestelltes von ihm begeistern kann. Dir wird diese Ausgabe sehr gefallen!
Ich habe soeben auch deine Besprechung zu Siddhartha angeschaut. Erst dieses Jahr kam ich überhaupt dazu dieses schmale aber so bedeutungsvolle Buch zu lesen. Deine Rezension hat alles wieder aufleben lassen. Und obwohl ich es meistens eher knapp mag, bin ich froh, dass Du dann doch die Ausführlichkeit bevorzugt. So kann ich bei Dir noch einmal nachlesen und mich der verschiedenen Aspekte bewusst werden. Vielen Dank dafür!
Die Komplexität der Gedanken hat mich zuweilen schon beansprucht. Eben doch sehr kopflastig. Den Geist aber wieder einmal zu fordern, nachzudenken, zu hinterfragen, Fragen und Antworten zu finden, zu irren und zu suchen, sollte ein immer präsenter Teil unseres Wesens sein. Ich war beeindruckt, was Hesse auf so wenig Seiten zum Ausdruck bringen kann. Ebenso beeindruckt bin ich von den vielen Stimmen, die Hesse in jungen Jahren gelesen haben. Du hast in 30 Jahre später wieder in die Hand genommen. Warum eigentlich? Mein Favorit bliebt aber „Das Glasperlenspiel“ ;)
Ganz herzliche und liebe Grüße von der Bücherliebhaberin
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liebe bücherliebhaberin,
herzlichen dank für deine lange antwort. auf deine frage will ich gerne antworten, aber im grunde kann ich dir tatsächlich nichts anderes sagen als ich in meiner besprechung schrieb: ich fürchtete, daß die begegnung mit dem realen buch nach so langer zeit den zauber der erinnerung zerstören würde…. zwar war das buch unverändert, aber ich habe mich in den jahrzehnte gewandelt, ob das noch zusammenpasste, war fraglich… im nachhinein gesehen, natürlich nicht, aber… ;-)
„kopflastig“? eigentlich doch und gerade nicht. es geht doch nur darum, dem fluss, sprich, dem leben, zuzuhören… das ist alles… es geht nicht um das haben, sondern um das sein – und darum, daß jeder mensch das für sich selbst lernen und erkennen muss….
das glasperlenspiel, auch das las ich seinerzeit und war sehr berührt davon. aber an dieses werk habe ich mich noch nicht wieder getraut. andere, wie den demian oder den steppenwolf, habe ich nach wenigen seiten wieder ins regal gestellt, konnte nichts mehr mit ihnen anfangen… sie sprachen nicht mehr mit mir.
auch dir ganz liebe grüße
fs
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„In ihren Wipfeln rauscht die Welt, …“ – so schön. Ich mag Hesses Werke, zum Beispiel auch „Die Morgenlandfahrt“. Dieses Buch würde sicher auch gut in mein Regal passen – neben Rilke und Kaléko und zum Beispiel auch Ringelnatz. Schöne Worte lassen mich einfach träumen. Sie inspirieren mich, genau wie dein Artikel. So ein Waldspaziergang wär jetzt schön, aber es ist schon zu spät und nebenbei, beginnen ja auch gleich die Spiele der WM. Aber jetzt hast du mich, ich werde dieses schöne Buch direkt bestellen. Und wenn mir nach einem Spaziergang ist und es ist zu spät, oder in Strömen regnet,dann werde ich einfach Hesses Worte einatmen. Das gibt bestimmt genauso viel Kraft. Oh ja, da hast du einen wahren Schatz gefunden. Merkwürdig, ich treffe immer wieder auf Personen, die die 13 zu ihrer Lieblings- und Glückszahl auserkoren haben.
Ich sende dir liebe Grüße,
Tanja
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Liebe Tanja,
schön, dass du Rilke und Kaléko erwähnst. Beides auch poetische Sprachkünstler. Zur Lyrik habe ich nach einer langen Pause wieder zurückgefunden. Als Jugendliche selbst auch geschrieben (würde ich heute als kitschig abwerten), um dann fast zwei Jahrzehnte dem Lyrischen aus dem Weg zu gehen. Heute kann ich das wieder genießen, sich den Worten hingeben und treiben zu lassen, Neues & Altes zu entdecken und hier auf dieser Seite weiterzugeben. Danke für deinen Eindruck und bei Regen lässt sich so ein kleiner Schatz besonders gut lesen.
Die liebe 13 ist schon immer eine Glückszahl. Wer etwas anderes erzählt, hat da irgendwas in diesem Universum nicht verstanden.
Ich sende dir liebe Grüße zurück
Die Bücherliebhaberin
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Klingt sehr schön! Grün mag ich übrigens auch sehr gerne, kann mich aber nie zwischen Grün und Blau (das Meer!) als Lieblingsfarbe entscheiden ; ) Liebe Grüße
Petra
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Liebe Petra,
man muss sich doch gar nicht entscheiden. Grün mündet über so schöne Farben wie Türkis ins Blaue. Die Farbe der Hoffnung (in China steht sie auch für das Leben an sich und den Osten) trifft auf die Farbe der Stille und Sehnsucht – und eben auch des Meeres. Beides schön!
Danke und liebe Grüße von der Grünliebhaberin ;)
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Vielleicht mag ich auch deshalb die kräftigen wie die zarten Mischtöne aus Grün und Blau so gern : )
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